Der Kutscher von Göttweig
Eine sehr amüsante - ebenfalls historisch belegte - Anekdote aus dem Leben der Losensteiner findet sich in einer Abschrift des Archivars von Stift Göttweig (P. Hartmann Dückelmann) aus dem Jahr 1776:
Wir schreiben das Jahr 1509 als ein gewisser Paul von Losenstein (der Sohn des vormaligen Landeshauptmanns von OÖ Georg I. v. Losenstein) im Raume des Stiftes Göttweig sein Unwesen trieb. Jener Paul dürfte in dieser Zeit kein unbeschriebenes Blatt gewesen sein, sagte man doch, dass er in seiner Jugend gar "wunderliche Abenteuer begangen und geübt" habe.
In jenem Jahr 1509 hatte sich Paul unter falschem Namen beim Stift Göttweig als Kutscher ausgegeben und seine Dienste angeboten. Die Mönche stellten ihn ein und baten ihn, eine Gruppe Göttweiger Mönche mit der Kutsche von auswärts wieder zum Stift Göttweig zurück zu bringen.
Jeder der schon einmal das Stift besucht hat weiß, welche steile Straße zu diesem Kloster hinaufführt. Er kutschierte also die Mönche die steile Straße hoch, doch kurz bevor sie oben ankamen, stieg er vom Pferd herab, löste deren Zügel und ließ die Kutsche den Berg rückwärts wieder die Straße runter rollen.
Stift Göttweig um das Jahr 1670 nach einem Stich von Vischer. Links recht gut die steile Straße zum Klosterberg erkennbar
Dabei rief er den Mönchen hinterher:
"Ihr gottschendigen Pfaffen, ihr seid viel zu schlecht, als das ein geborener Herr von Losenstein Euer Kutscher sein soll"
Daraufhin machte er sich aus dem Staub. Den Mönchen selber soll aber "am Leben nichts geschehn seyn" wie die Chronik weiter berichtet. Paul's Vater Georg von Losenstein war zu der Zeit Pfleger in Eisenstadt und starb in eben diesem Jahr 1509 - so blieb ihm die Schande wohl erspart...
Sehr zu unsrer Freude erhielten wir von der graphischen Sammlung der Stiftsbibliothek Göttweig ein Foto des Originaldokumentes (zum vergrößern bitte klicken) aus dem oben beschriebenen Buch - an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Frater Andreas Remler von der IT Abteilung des Stiftes Göttweig für die Übermittlung!
Der Originaltext in Reinschrift lautet: Von herrn Pauln von Losenstain sagt man, das er in seiner jugent wunderliche abenteuer begangen und geübt. Unter andern hat er sich im closter Göttweich für ainen gutschi (Kutscher) unerkhandt gebrauchen lassen. Als er nun ainsmall ainen wagen voller münich ins closter haim über den hochen berg hinauff geführt, sey er unversehens vom roß abgestigen, die sträng gelediget, und den wagen also zurück noch thall lauffen lassen, dabey gesagt: Ihr gottschendigen pfaffen, ihr seyt vil zu schlecht, das ein gebohrner herr von Losenstain eur gutschi seyn soll, hab darauf sein abschied genumben. Den münchen aber soll gleichwol am leben nichts geschehen seyn. (mit besonderm Dank an Univ.-Doz. Mag. Dr. Andreas ZAJIC von der Universität Wien, welcher mir diese Textpassage zur Verfügung gestellt hat.) |
Paul wohnte zu dieser Zeit am väterlichen Schloß Gschwendt in Neuhofen/Krems und dürfte - wie auch seine Geschwister - eine sehr sorgen- & arbeitsfreie Jugend verlebt haben. Denn auch von seinen Brüdern & Schwestern berichten die Annalen nicht unbedingt große Heldentaten...
...sein Bruder Adam von Losenstein vertrieb sich die meiste Zeit mit Turnierkämpfen und Festen am Hofe Kaiser Maximilans I....
...sein Bruder Gregor von Losenstein auf Schloß Krummnussbaum weigerte sich die Getränkesteuer für seine Weinausschank abzuliefern, weil der Wein ohnehin so schlecht war...
...seine Schwester Euphemia von Losenstein brachte es zwar zur Äbtissin vom Frauenkloster Traunkirchen, erhielt aber nach Ihrem Tod nicht einmal einen Grabstein, da sie sich während Ihrer Amtszeit "mehr um kleine Hündchen als um die Armen" gekümmert haben soll...
...seine Brüder Noah, Pontus & Maximilian lagen in jahrelangem Streit mit dem Stift St. Florian wg. illegalem Fischens in deren Gewässern.
...sein jüngster Bruder, der spätere berüchtigte Wolf von Losenstein verbrachte seine Jugendzeit wiederum als Raubritter oder Menschenschinder, wie zwei eigene Anekdoten zeigen..